Man sagt ja so schön plakativ “Gegensätze ziehen sich an”. Um (Schatten-)Themen miteinander abzuarbeiten bestimmt. Ansonsten ist komplementäre Anziehung auf Dauer eher nicht zu gebrauchen und eher ein Zeichen für Liebessucht. Ja zieht sich an, aber hält nicht lange vor, wenn es inkompatibel ist. Daher ist es schon wichtig jemanden zu haben, der ungefähr gleich tickt. Von der Energie kann der auch anders sein, das ist ja in Ordnung. Aber wenn das Ganze nicht auch irgendwie auf der gleichen Ebene ist und ähnliche Vorlieben hat, wird es problematisch. Das heißt nicht, dass man alles gemeinsam machen oder haben muss. Es kann auch sein, dass jemand noch etwas macht, was man selbst nicht mag. Aber wenn jemand frei(lassend) ist, dann wird er auch nicht erwarten, dass man da mitmacht. Das ist dann nicht der Punkt. Mit Kompatibilität ist also nicht gemeint, dass man in gewissen Dingen nicht auch anders sein kann. Häufig bedeutet Kompatibilität sogar in manchen Punkten anders zu sein. Kompatibilität ist ein Zustand von Harmonie. Wenn zwei ohne (unüberwindbare) Konflikte zu verursachen koexistieren können. Das heißt es ist für beide vorteilhaft und fördert das Wohlbefinden von beiden. Kompatibilität wird oft verwechselt mit Gleichheit. Man denkt dann man sei kompatibel, wenn man genauso ist. Dieselben Interessen, Meinungen, Ziele, Persönlichkeit, Prioritäten, Glauben usw. hat. Das meine ich nicht. Das Ganze ist komplexer als das. Wenn zwei dieser Dinge gleich sind, kann das Kompatibilität bedeuten. Genauso wie eine Verschiedenheit Inkompatibilität bedeuten kann. Zum Beispiel: Einer mag sehr viel Zeit mit sich alleine verbringen, der andere möchte die meiste Zeit zusammen sein – das ist eine Verschiedenheit, die Inkompatibilität bedeutet. Aber wenn einer zum Beispiel gerne kocht und der andere gerne putzt und beim anderen ist es andersrum, dann ist das eine Verschiedenheit, die sie kompatibel macht. Wenn der eine Entwicklung und Veränderung mag, der andere Stabilität und dass Dinge immer so bleiben sollen wie sie sind, ist das inkompatibel. Wenn einer sexuell eher dominant ist und der andere eher unterwürfig ist das eine Verschiedenheit, die wieder kompatibel macht usw. Über Kompatibilität in Partnerschaft werde ich ggf. noch einen separaten Blog Artikel schreiben.
Wenn sich Menschen “verlieben”, spüren sie neben feinstofflichen und hormonellen bzw. körperlichen Anziehungskräften meist zu Beginn der Begegnung eine unbewusste Resonanz, welche unerledigte eigene Geschichte und welchen Schmerz sie mit dieser Person erleben bzw. heilen wollen. Es wird ein Partner angezogen, mit dem die Themenresonanz im jeweiligen Moment am größten ist. Das ist also weder etwas Magisches noch Romantisches. Im Zustand der Verliebtheit werden zunächst alle „alten“ Wünsche und Sehnsüchte erfüllt. Für den ersten Moment der Verliebtheit scheint es so als ob ein glücklich machender Retter im Außen gekommen ist, da erstmal nur die “positiven” Projektionen ablaufen bzw. gespiegelt werden. „Blind“ über das, was dann folgen wird, “die Lektion” (die Schattenanteile und Verstrickungen) hierbei, würde man sich – im ungeheilten Zustand – sonst oftmals erst gar nicht darauf einlassen. Übrigens gilt das nicht nur im partnerschaftlichen Kontext. Sie können immer auch wieder Menschen treffen, mit denen es ansteht gewisse Themen zu bearbeiten, in denen ähnliche Prozesse ablaufen. Hier beschränke ich mich aber mal weitestgehend auf den partnerschaftlichen Kontext.
Beispiel: Wenn Sie von vorneherein wüssten, dass Ihnen Ihr Partner zu einem späteren Zeitpunkt immer wieder das Gefühl von z.B. Minderwertigkeit oder Wertlosigkeit, Alleinsein bzw. nicht verfügbar sein (allein zu zweit) etc. spiegeln wird, würde die Honeymoonphase, in der nur die positiven Projektionen ablaufen, wohl etwas ernüchternder verlaufen!
Aber das Leben macht es so geschickt, dass “der andere” nicht direkt mit einem Schild auf der Stirn mit z.B. der Aufschrift “Bei mir wirst Du Dich entwertet fühlen!” zu erkennen ist. Wenn das Ihr Thema ist und Ihnen das nicht bewusst ist, werden Sie einen Menschen mit diesem (Ihrem!) Muster unbewusst anziehend finden. Sie werden also “getäuscht” und von einer Illusion eingelullt, damit sie in die Erfahrung, die sie machen sollen, hineinspringen.
Es kann auch vorkommen, dass Sie sogar über die vermeintlich positiven Eigenschaften des anderen getäuscht werden. Etwas, das sich zunächst positiv darstellt, kann zu einem späteren Zeitpunkt auch negative Auswirkungen haben.
Dem Leben ist das offenbar egal. Es will einfach, dass man sich fortpflanzt. Hierbei nimmt es wenig Rücksicht auf die Kompatibilität in anderen Bereichen. Das mit den oben erwähnten körperlichen Anziehungskräften ist ein separates Thema und kann von der Themenanziehung nochmal entkoppelt sein. Sexuelle Anziehung ist auch nicht unbedingt ein Zeichen für die Kompatibilität einer Partnerschaft. Bei der hormonellen Anziehung sind insbesondere die Hormone Testosteron (auch bei der Frau), das für die (sexuelle) Lust steht, Dopamin (sorgt für das romantische Verliebtheitsgefühl) und Oxytocin (steuert das Gefühl von tiefer Verbindung) im Spiel. Näher möchte ich hier nicht darauf eingehen und beschränke mich im Weiteren auf die Themenanziehung.
Unbewusst verlieben sich Menschen im Grunde in ihre eigenen konditionierten Muster. Unabhängig der Intelligenz eines Menschen, leben diejenigen, die sich niemals mit diesen Thematiken näher beschäftigt haben, im Grunde die häufig traumatische, dysfunktionale Beziehung zu ihren Eltern lebenslang mit wechselnden Partnern oder zwanghaft fixiert mit einem Partner nach – viele bis zum Ende ihres Lebens in unendlicher Wiederholungsschleife.
Zur Angstvermeidung kann z.B. eine Beziehung gewählt werden, die mehr auf oberflächlichen Dingen basiert wie gutem Aussehen, sozialem und beruflichen Status und Popularität, Prestige, Image.
Je länger eine Liebesbeziehung dauert, desto mehr werden auch die „alten“ ungelösten Schattenseiten und Schmerzthemen sichtbar, um einen nächsten Schritt zur Ausheilung zu wagen. Neben Kindern ist eine Liebesbeziehung sicherlich eine der intensivsten Lernmöglichkeiten, um sich selbst und die eigenen alten und verborgenen Verletzungen kennen zu lernen und in die Heilung zu bringen.
Ihr Partner, der Ihnen ja besonders nahe steht, zeigt Ihnen sofort auf, wenn etwas aus der Balance geraten ist. Wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Partner schenkt Ihnen nicht genügend Aufmerksamkeit, dann könnten Sie sich zum Beispiel fragen, wo Sie sich selbst oder auch ihm nicht genügend Aufmerksamkeit schenken. Wenn Ihr Partner nicht liebevoll mit Ihnen umgeht, wo gehen Sie selbst zu hart mit sich um? Sie haben Probleme, Ihrem Partner zu vertrauen – vertrauen Sie sich vielleicht selbst nicht genug? Betrachten Sie Ihre Beziehung mit dem Gedanken des Misstrauens und der Verlustangst, dann werden Sie in dem Verhalten Ihres Partners mit großer Wahrscheinlichkeit auch immer wieder Bereiche finden, die das bestätigen.
Die Dynamik in Beziehungen verändert sich im Laufe der Zeit ganz natürlich, genau wie Sie und Ihr Partner sich verändern. Diese Tatsache kann man mit Vertrauen – also mit Liebe betrachten oder mit Angst und Scheinsicherheitsbedürfnissen. Ihre Sichtweise bestimmt Ihre Geschichte.
Wenn Sie mit der Erwartung nach Sicherheit Ihren Partner mit Ihren eigenen Gefühlen und Ängsten konfrontieren, stellen Sie gleichzeitig Forderungen und verlangen nach Geborgenheit, Schutz und Gewissheit. Gleichzeitig suggerieren Sie Ihrem Partner damit, dass Sie ihn, so wie er ist, nicht akzeptieren. So verwandeln Sie sich in ein bedürftiges Kind. Ihr Partner wiederum spürt Ihre Zweifel an der Beziehung und fängt womöglich selbst an die Partnerschaft anzuzweifeln.
Die Spiegelwirkung ist enorm. Wenn man sich traut dieser Wahrheit ins Auge zu sehen und auch wirklich in den Spiegel schaut, wird man das auch erkennen. Das Spiegelbild wird sich nicht ändern, wenn man sich selbst nicht ändert.
Wie so oft ist die Wahrheit genau andersherum als es plakativ dargestellt wird.
Am Ende des Tages ist es tatsächlich ein Indikator, dass je weniger “verliebt” man ist, desto weniger Themen bzw. Trauma Reaktion hat man. Und desto bewusster kann man eine wirklich kompatible Beziehung wählen. Eine gewisse Begeisterung für den anderen, spricht definitiv mehr für die bewusste Entwicklung eines Menschen als das klassische blinde Verliebtsein, wie man so schön sagt.
Daher macht es Sinn über die Dynamiken der “Täuschung” der Verliebtheitsphase und den Dynamiken später in der Verbindung Bescheid zu wissen und Bewusstsein dorthin zu bringen. So lange das alles unbewusst abläuft, man quasi needy ist, hat man eh keine “Wahl” und wird in der Regel direkt ins nächste Angebot, das attraktiv erscheint, sehr vorschnell hineinspringen. Und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht klar ist wie kompatibel es ist. Das ist auch so ein konditioniertes Ding, dass es häufig so läuft gleich irgendwie einzusteigen und gleich alles dingfest zu machen und dann zu schauen, was man bekommen hat. Mit mehr Bewusstsein braucht man das so nicht mehr sich so ein Kinderüberraschungsei ins Nest zu legen. Viele Menschen bekommen dann z.B. Kinder mit einem inkompatiblen Partner und stecken erstmal jahrelang fest oder stehen sehr früh alleine damit dar – was für alle Beteiligten nicht optimal ist. Verhindern lässt sich das nur mit Bewusstsein.
In meiner Praxis begegnen mir in diesem Zusammenhang sehr viele Menschen, die sagen “Ach wenn ich das nur vorher alles schon gewusst hätte….”
Nach viel Eigenarbeit hat man eine “Wahl”, selbst wenn man diese Anziehung, die bei manchen Begegnungen fast schon eine Sogwirkung hat, spürt. Es läuft dann bewusst ab. Dann ist man in der Lage diesem Hormoncocktail von vorneherein zu widerstehen, wenn man schon die Probleme auf sich zurollen sieht. Man lässt sich auch genug Zeit, um zu erkennen, dass es auf anderen Ebenen nicht passen würde, bevor man irgendwo reinspringt.
Das Problem hierbei ist allerdings, dass sich viele Menschen niemals ausreichend Gedanken über ihre Werte und Standards oder das, was sie wirklich wollen, gemacht haben. Oder eben sehr schnell wieder davon abweichen, sobald der nächste Hormoncocktail auf sie zukommt.
Man tut gut daran sich einmal wirklich bewusst zu machen, welche Voraussetzungen es braucht, um sich dann gar nicht lange damit aufzuhalten, wenn jemand vorbeikommt, der da nicht reinpasst. Je kürzer die Begegnung ist, umso weniger “schmerzhaft” wird die ganze Chose nämlich und umso unkomplizierter ist es, da wieder rauszukommen bevor man emotional oder sonst wie verstrickt ist. Und es spart Lebenszeit.
Das klingt jetzt hart und man darf auch nicht vergessen, dass das eh nur Menschen mit mehr Bewusstsein gelingt. Mit weniger Bewusstsein und Reflexion ist es immer noch besser seiner Sehnsucht “blind” zu folgen als sich davon abzuschneiden. Denn durch Erfahrungen, die nicht funktionieren, dehnt man sein Bewusstsein so oder so aus in die Ausrichtung was stattdessen funktioniert.
Mit mehr Bewusstsein kann man die Hintergründe der Anziehung und was das für einen wirklich bedeutet auch ohne eine Verbindung mit dem anderen machen zu müssen anders beleuchten und in sich integrieren.
Verdrehen “andere” Ihnen noch den Kopf oder wählen Sie schon bewusst?
Isabel Erhardt
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